von Sven Langbein
Dieses Gefühl, wenn du plötzlich merkst, dass Entscheidungen, die du vor Jahren getroffen hast oder Dinge, die irgendwann schon vor langer Zeit passiert sind, einen Sinn ergeben. Du beginnst, das große Ganze dahinter zu begreifen. Wir durften dieses Gefühl am Freitagabend erleben.
Alles begann in unserer Studiosession vor zwei Wochen. Ich hörte Ripe dabei zu, wie er mal wieder eins seiner fantastischen spontanen Gitarrensolos aus dem Hut zauberte, und dachte dabei an die nächste Session, in der wir die Vocals für die neuen Singles "Falling in Love" und "The Dark Ride" aufnehmen würden. Ich hatte vorher noch nie unter Studiobedingungen gesungen und erinnerte mich an einige Kommentare zu unserer Debutsingle "One More Time". Zwischen all dem positivem Feedback gab es einige kritischen Stimmen aus dem Mutterland des Country, die den Song als solches sehr gut fanden, aber einen Akzent bemerkt hatten. Obwohl also jedes Wort im Grunde richtig ausgesprochen wurde, hat der Song laut ihnen einen leichten finnischen Touch.
Natürlich hat er das. Könnte daran liegen, dass wir Finnen sind. Naja, die meisten von uns. Aber zumindest eine Band aus Finnland, und wie singen wir denn überhaupt richtig? Sollen wir zum Beispiel versuchen, so British oder American English zu imitieren? Sollen wir – als Crossover Country Band – versuchen, unsere Aussprache mit einer ordentlichen Portion Texas zu würzen? Ich erinnere mich noch gut an die Worte meines ersten Englischlehrers, der uns gefragt hat, was wir von einem Amerikaner denken würden, der zwanghaft versucht, sein Standarddeutsch bayerisch klingen zu lassen (was er damit meinte: Sprich korrekt, aber versuch nicht, jemand zu sein, der du nicht bist).
Etwas, was sich wie ein roter Faden durch unseren Dark Ride zieht und charakteristisch für uns, ist die Professionalität, mit der wir agieren, egal worum es geht. Wir lieben es, Musik zu machen und unserem Publikum das Beste – und nur das Beste – zu präsentieren. Dabei unterstützen uns Profis aus den verschiedensten Bereichen, allesamt ausgewiesene Experten ihres Faches. Um nur einige von ihnen zu nennen, sind da zum Beispiel unser Produzent Teemu Aalto (der bereits so manche Band auf Platz 1 der Charts gebracht hat), Svante Forsbäck (über 3000 gemasterte Alben, zu seinen Kunden gehören keine geringeren als z.B. Volbeat, Sunrise Avenue, The Rasmus, Apocalyptica, Sonata Arctica und Rammstein), unser Tontechniker Henry Tiainen, mehrere renommierte Videoproduzenten und Fotografen, Grafikdesigner,… und je größer wir werden, desto länger wird diese Liste!
Und während ich so über das Feedback zu unserer Aussprache nachdachte, fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Ohren: was wir brauchten, war professionelles Aussprachetraining. Vor zwei Jahren hat mir meine Bekannte Terhi von ihrem amerikanischen Freund erzählt, der hier in Imatra wohnt. Er heißt Keith und ich fragte mich, ob er uns hier helfen konnte. Wie sich herausstellte ist Keith zufällig Englischlehrer (mit anderen Worten: ein Profi) und obendrein großer Country-Fan. Trotz der kurzfristigen Anfrage und seines vollen Terminplans lud er uns spontan zu sich nach Hause ein, einen Tag vor der Studiosession sollte es soweit sein.
Selten betritt man das Haus eines Fremden und fühlt sich so willkommen. Keith hatte für uns gekocht und stattete uns zunächst mit den nötigen Werkzeugen aus, um unsere Kehlen countrytauglich zu machen. Wir setzten uns und redeten darüber, wer wir sind, was wir machen und womit wir Hilfe benötigten. Keith hatte bereits unsere Demo Vocals, die wir ihm vorab geschickt hatten, analysiert und sich eine Menge Notizen dazu gemacht. Drei Stunden lang gingen wir die zwei Songs Zeile für Zeile, Wort für Wort, ja, Laut für Laut durch, um Hyperkorrekturen zu beseitigen und mehr Country in unseren Gesang zu bringen.
Um auf die obige Frage zu antworten: British English eignet sich für eine Vielzahl von Musikrichtungen, aber Countrymusik schreit geradezu nach einer Varietät aus den Südstaaten. Vesa konnte während unseres Coachings schnell einige eindeutige Einflüsse des Finnischen eliminieren, zum Beispiel eine zu harte Aussprache von /r/ und /d/ sowie zu kurze Vokale. Was meine Aussprache betrifft so musste ich unter anderem lernen, das Wort "now" auszusprechen, ohne dabei wie eine deutsche Katze zu klingen ("Sven, denk an den Kautabak!").
Während uns Keith analysierte und zielgerichtet auf die Studiosession vorbereitete, benutzte er eine Menge Begriffe, die ich seit meiner Uni-Zeit nicht mehr gehört hatte. Ich bin Sprachwissenschaftler und hatte stets ein Faible für Phonetik und Phonologie (also die Lehre von menschlichen Lauten und ihrer systematischen Organisation – sexy, ich weiß!). Zum ersten Mal konnte ich mein Wissen über stimmlose postalveolare Affrikate, offene/geschlossene Vokale und Aspiration im richtigen Leben anwenden. Letzten Endes lernen wir wohl tatsächlich nicht für die Professoren..
Wir haben viel gelacht an diesem Abend, und irgendwie fühlte es sich an, als hätten wir uns schon Jahre lang gekannt. Auf Finnisch sagt man "Palikat loksahtavat paikoilleen", frei übersetzt: die Teile fügen sich zu einem Ganzen. Keith sollte das perfekte Teil sein, das darauf wartete, gefunden zu werden. Er war die ganze Zeit da, aber weder wussten wir von ihm, noch hatte er vom Dark Ride gehört. Erst die Unterhaltung mit unserer gemeinsamen Bekannten im Juni 2014 gab den Ausschlag. Nun haben wie einen Dark Ride Coach, der uns als nächstes dabei helfen wird, mehr Country in „Wasted Sundays“ zu bekommen. Es ist ein tolles Gefühl, dass ein neuer Brother und Profi gerade auf den Dark Ride aufgesprungen ist und wir freuen uns auf unsere nächste Studiosession – dieses Mal mit Keith.
Ein großes Danke an alle, die auf uns auf diesem Dark Ride unterstützen!
